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 Kunst und Kunsthandwerk

 

Traditionelle Kunst und Kunsthandwerk

Das Kunsthandwerk gibt es seit Menschengedenken und seine erste Form war das Anfertigen von Kleidungsstücken. Das Nähen von Kleidern entsprang damals zunächst einem natürlichen Bedürfnis nach Kleidung, um sich vor Einflüssen der Umwelt zu schützen. Später hatte sich die Kleidung je nach Bedarf, Gefühl und künstlerischem Geschmack der jeweiligen Stämme verändert und verdiente nun die Bezeichnung “traditionell”. Das türkische Kunsthandwerk wurde im Laufe der Jahrtausende von unzähligen Zivilisationen, die sich in Anatolien niederließen, beeinflusst und zeigt heute, verbunden mit der eigenen türkischen Kultur, ein buntes Mosaik an ethnischen Besonderheiten. Zu den traditionellen türkischen Handarbeiten zählen Teppichknüpfen und -weben, die Weberei von Stoffen und Decken, das Bedrucken von Tüchern, das Herstellen von Keramik und Majolika, das Sticken, die Anfertigung von Spitzenborten, Lederarbeiten, Herstellung von Musikinstrumenten, Steinmetz Arbeiten, Kupferbearbeitung, Körbe flechten, Sattelanfertigung, Metallbearbeitung, Herstellung von Filz, Stricken und Häkeln, Holzbearbeitung und Schnitzerei, sowie der Bau von Kutschen und Wagen. Die traditionellen Materialien für Web- und Knüpftechniken sind Wolle, Angora, Baumwolle, Tierhaare und Seide. Zu den fertigen Produkten, die aus den gesponnenen, oder auf andere Art und Weise miteinander verbundenen Fäden angefertigt werden, gehören alle Arten von Stoffen, Strickwaren, Möbelstoffe, Teppiche, Kelims, Decken, Filz und Taue. Das Weben hat Tradition in Anatolien und ist in vielen Regionen noch immer ein Broterwerb. Eines der elegantesten Beispiele türkischer Handarbeit sind die zarten Spitzenborten, die außer zur Verschönerung der Trägerin auch der Kommunikation untereinander dienen, denn jede Region hat eine andere Technik und ein anderes Muster zur Herstellung dieser Borten, die dadurch viel über ihre Trägerin und deren Herkunft verraten. Als Arbeitshilfsmittel bei diesen gehäkelten und geklöppelten Borten verwendet man Häkelnadeln, Nähnadeln, Weberschiffchen oder Haarnadeln. Die fertigen Borten und Bordüren erhalten je nach Arbeitstechnik einen anderen Namen. Man nennt sie zum Beispiel "Iğne" (Nadel), "Tığ" (Häkelnadel), "Mekik" (Weberschiffchen), "Firkete" (Haarnadel), "Koza" (Kokontechnik), "Yün" (Wolle), "Mum" (Wachs), "Boncuk" (Perlen) und "Kumaş Artığı" (Stoffreste). Besonders bekannt sind die Borten und Bordüren aus Kastamonu, Konya, Elazığ, Bursa, Bitlis, Gaziantep, Izmir, Ankara, Bolu, Kahramanmaraş, Aydın, Içel, Tokat und Kütahya, obwohl auch hier inzwischen die meisten Borten nur noch für die Aussteuerkiste angefertigt und kaum noch getragen werden. Neben den vielen verschiedenen Arten von Zierborten ist auch der Schmuck ein bemerkenswertes Zubehör, um eine Kleidung zu vervollständigen. Alle Zivilisationen, die jemals in Anatolien gelebt haben, hatten ihre eigene Technik, um Metall und Steine, einzeln oder zusammen zu verarbeiten. Eine der schönsten Schmuckbeispiele haben die Turkmenen zur Seldschukenzeit mitgebracht. Während des Osmanischen Reiches gewann wertvoller Schmuck und wertvolle Steine mit Heranwachsen und Vergrößerung des Imperiums immer mehr an Bedeutung. Zur Bronzezeit wurde in Anatolien aus diesem Metall, das unter Hinzufügen von Zinn aus Kupfer gewonnen wurde, Schmuck gegossen oder gehämmert. Die gleiche Technik wurde in späteren Zeiten mit den Metallen Kupfer, Silber und Gold angewandt. Am meisten wurde jedoch Kupfer benutzt. Außer dem Beschlagen von Kupfer war auch die geflochtene Filigrantechnik, das Ziselieren, die Hammertechnik, das Verzieren des Metalls mit schwarzen Mustern oder Durchbrucharbeit sehr beliebt. Auch Messing, Gold und Silber wurde für diese Techniken damals wie heute gerne benutzt. Das Kupfer hat heutzutage in der Schmuckherstellung weniger Bedeutung als in der Küche, denn auch heute kocht man in der Türkei noch gern in verzinnten Kupfertöpfen. Die Architektur entstand aus der Notwendigkeit sich ein Heim zu schaffen und verdankt ihre Vielfalt wiederum den geographischen und klimatischen Bedingungen der Umgebung. Die damit verbundene Kunst der Holzverarbeitung fand während der Seldschukenzeit ihren eigenen Stil. Während dieser Zeit und der Epoche der verschiedenen Fürstentümer stellte sich die ausgefeilte Holz- und Schnitzkunst vorwiegend in Moscheenkanzeln und –Türen, sowie Schranktüren als Ergänzung zu der damals gängigen Bauweise dar. Zur Zeit des Osmanischen Reiches gewann sie klarere und einfachere Linien und machte sich nun auch bei Gegenständen des täglichen Lebens wie Beistelltischen, Turbanablagen, Schreibtisch und -garnituren, Schubladen, Truhen, Thronen, Holzbooten, Lesepulten, Koranhüllen und Löffeln bemerkbar. Auch Fensterrahmen, Schranktüren, Holzbalken, Konsolen, Decken, Kanzeln, Gebetsnischen und Holzsarkophage wurden mit Schnitzarbeiten verschönt. Material für die Holzverarbeitung lieferten hauptsächlich Nuss-, Apfel-, Birnen-, Zedern-, Eben- und Rosenbäume. Die mit Intarsien-, Farb-, Perlmutteinlege- Schnitz-, Gitter-, Verkleidungs- und Brenntechnik bearbeiteten Holzgegenstände werden auch heutzutage noch gern benutzt. Diese Techniken wurden vor allem in Zonguldak, Bitlis, Gaziantep, Bursa, Istanbul-Beykoz und Ordu angewandt, da diese Regionen reich an dem nötigen Baumbestand sind. Hier war vor allem die Herstellung von langen Wanderstäben und Spazierstöcken sehr beliebt, die ab dem 19. Jahrhundert in der ganzen Welt verkauft wurden. Die Krücke dieser Stöcke besteht meistens aus Silber, Gold, Bein oder Perlmutt, während der Schaft aus Rosen-, Eben-, Kirsch-, Bambus-, oder Rohrholz gefertigt wird. Die Herstellung von Musikinstrumenten, bei der das Rohmaterial von Bäumen, Pflanzen und Tieren stammt, hat ebenfalls Tradition. Man profitiert von der Haut, den Därmen, Haaren, Knochen und Hörnern der Tiere. Die fertigen Produkte gliedern sich in Saiten-, Bogen-, Blas- und Schlaginstrumente auf. Ein weiteres Kunsthandwerk, das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Baukunst steht, ist die Herstellung von Majolikafliesen. Auch sie wurden durch die Seldschuken in Anatolien bekannt gemacht, die sich nicht scheuten, auf ihren Fliesen Figuren darzustellen. So waren z.B. die seldschukischen Meister in der Abbildung von Tieren sehr erfolgreich. Die Kunst verbreitete sich im 14. Jahrhundert von den Werkstätten Iznik aus, verlagerte sich im 15. Jahrhundert nach Kütahya und wurde im 17. Jahrhundert auch in Çanakkale populär. Die Fliesen hatten entsprechend der Region, in der sie hergestellt wurden, in Farbe und Form ihre Besonderheiten, die zur Zeit des Osmanischen Reiches zu ihrer Vollendung fanden. Vom 14.–19. Jahrhundert hatte die türkische Keramik- und Fliesenkunst ihre Blütezeit und war in der ganzen Welt berühmt. Historische Glaswaren von verschiedenen anatolischen Zivilisationen erhellen heute die Geschichte des Glases. Verschiedene Formen und Modelle der Buntglaskunst wurden zur Seldschukenzeit entwickelt. Nachdem Istanbul durch die Osmanen erobert worden war, wurde die Stadt das Zentrum der Glaskunst. Techniken wie "Çeşme-i bülbül" und "Beykoz" stammen aus dieser Zeit. Die erste Glasproduktion in Anatolien fand im Dorf Görece bei Izmir statt. Es handelte sich um Glasperlen zur Abwehr des bösen Blickes, die von den dortigen Meistern hergestellt wurden. Diese Perlen konnte man in ganz Anatolien finden, denn der Glaube an den bösen Blick war überall weit verbreitet. Man glaubte, dass sich der böse Blick in dem Glas brechen und von einem selbst hinweg auf einen anderen Gegenstand leiten lassen würde. Aus diesem Grunde wurden und werden immer noch diese so genannten "Nazar"- Perlen gut sichtbar für jeden getragen. Ein bedeutender Nebenzweig der Baukunst war das Steinmetz Handwerk. Die Arbeiten verzierten nicht nur Innenräume und Außenfronten der Gebäude, sondern auch Grabsteine und Sarkophage. Die mit Meißel-, Gravur- und Relieftechnik angefertigten Kunstwerke hatten meistens Motive aus der Pflanzenwelt oder Geometrie oder trugen Inschriften, die mit Figuren verziert waren. Tierdarstellungen trifft man selten an, Abbildungen von Menschen waren zur Seldschukenzeit verbreitet. Das Handwerk des Körbe flechten ist bis auf den heutigen Tag noch nicht ausgestorben. Noch immer werden sie nach Art der Vorfahren aus Rohr, Weiden- und Nussbaumzweigen angefertigt. Während in ihnen früher Waren oder Lebensmittel getragen wurden, dienen sie heute zum größten Teil der Wohnungsdekoration. Mit zunehmender Industrialisierung fast ausgestorben, ist der Beruf der Sattelmacher, der in früheren Tagen aus dem Leben der Landbevölkerung nicht Hinwegzudenken war. Sättel aus Filz, Holz und Haarstoffen, wie sie früher benutzt wurden, werden heutzutage kaum mehr hergestellt und der traditionelle Beruf der Sattelmacher gehört der Vergangenheit an. Das Amt für Erforschung und Entwicklung der Volkskulturen (Halk Kültürlerini Araştırma ve Geliştirme Genel Müdürlüğü = HAGEM) führt regelmäßig in bestimmten Provinzen Feldstudien zu den Themen "Traditionelle Kunsthandwerke" durch; Arbeiten der Künstler und Handwerker werden fotografisch, in Dias oder Videofilmen festgehalten und archiviert. Auf diese Art und Weise hofft man, alte Kunsthandwerkstechniken lebendig zu erhalten und bietet gleichzeitig Wissenschaftlern und Studenten Material für ihre Forschungen. Von Zeit zu Zeit werden Stücke aus dieser Sammlung im In- und Ausland ausgestellt. Auf Anregung von HAGEM wurden auch regionale Ausstellungen für Kunsthandwerk ins Leben gerufen, die den Künstlern und Meistern Gelegenheit geben sollen, ihre Produkte zu verkaufen. Gleichzeitig werden regelmäßig Wettbewerbe organisiert, bei denen fast in Vergessenheit geratene Kunsthandwerke unterstützt werden. Dadurch erhofft man sich einen Fortbestand der jeweiligen Zunft. Alle 5 Jahre organisiert HAGEM den “Internationalen Volkskultur-Kongress”. Auf dem Gebiet der gegenständlichen Kultur werden Vorträge gehalten, die das Ergebnis von Forschungen mehrerer Universitäten sind. Eine Zusammenfassung dieser wissenschaftlichen Vorträge wird nach jedem Kongress veröffentlicht. Auch Beiträge speziell zum Kunsthandwerk sind als Publikationen erhältlich.